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Digitales Lernen wird mobiler und interaktiver - ein Rückblick auf die Learntec 2018

erwachsenenbildung.ch
Februar 2018
Auf der Learntec, der Leitmesse für digitale Bildung, drehte sich heuer alles um mobiles und situatives Lernen. Lernvideos werden interaktiver, Lernhäppchen kleiner und Blended Learning erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit. (Serie: Digitale Erwachsenenbildung)
 
Die Learntec in Karlsruhe ist eine der Leitmessen für digitale Bildung. Von 30.1. bis 1.2.2018 nahmen über 10.000 FachbesucherInnen und mehr als 300 AusstellerInnen teil. Im Fokus stand vor allem die betriebliche Weiterbildung. Britta Wirtz, die Geschäftsführerin der Karlsruher Messe- und Kongress GmbH, führt das auf die große Innovationskraft des Sektors zurück: „Die berufliche Bildung ist durch die Nähe zur Industrie, die mit Blick auf die Digitalisierung keine ideologischen Debatten führen musste, schon am weitesten." Aber auch Universitäten, Schulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen stellten ihre neuesten Entwicklungen vor.

„Digitalisierung ist keine Option, sondern ein Muss"

In Bildungseinrichtungen und Unternehmen bestehen vielfach noch Widerstände gegen die digitale Transformation. Dabei sei diese keine Option, sondern ein Muss, sagte Sünne Eichler vom Kongresskomittee in ihrer Einleitung zur Podiumsdiskussion. Im deutschsprachigen Raum ist man auf dem Weg, aber von einer vollständigen digitalen Abbildung der Alltagsvorgänge noch weit entfernt, so der Digitalisierungsstratege Martin Schallbruch: „Umgelegt auf eine Marathonstrecke stehen wir derzeit bei vier bis fünf Kilometern."

Folgende aktuelle Trends und zukünftige Entwicklungen in der digitalen Bildung standen bei den Vorträgen und an den Messeständen im Mittelpunkt:

Bring your own device (BYOD): Mobiles, situationsangepasstes Lernen

Der Tenor zahlreicher Vorträge auf der Learntec lautete, man müsse die Lernenden dort abholen, wo sie ohnehin unterwegs sind – mit den Geräten, die sie täglich verwenden. Schon jetzt überwiegen die mobilen Zugriffe auch dort, wo die Plattformen gar nicht auf mobil ausgerichtet sind: 75% der Trainings werden heute über mobile Endgeräte abgerufen, und 72% der unter 35-Jährigen lernen mobil, so Guy Fischer, der über mobiles Lernen, Digitalisierung und Industrie 4.0 sprach. „Weltweit werden im Jahr 2018 bereits eine Milliarde Mobilgeräte zum Lernen verwendet", so die Einschätzung von Tobias Ebinger.

„Ich bin der Meinung, dass der Begriff Mobile Learning in den nächsten Jahren verschwinden wird, weil es selbstverständlich sein wird", sagte Patrick Blum. Lernen geschehe immer mehr dann, wenn es benötigt werde – oft situativ am Arbeitsplatz. Die Herausforderung dabei sei es, die Lernenden bei der Suche nach den passenden Inhalten zu unterstützen.

Einen innovativen Ansatz verfolgt die Berufliche Schule für medizinische Fachberufe BS15 in Hamburg in Zusammenarbeit mit educube mit dem next:classroom Cross Media eLearning. Der Lernraum wird hier mit Hilfe von Augmented Reality (AR) aufbereitet, sodass man beispielsweise mit einem Smartphone Poster und Skulpturen scannen kann und dadurch zusätzliche Informationen oder Aufgabenstellungen erhält. Reinhard Arndt und Steffen Schuster nehmen für die Entwicklung des Konzepts Anleihe an museumspädagogischen Ansätzen und verbinden diese mit der „Loci Methode" – „dorthin gehen, wo man sich erinnern kann". Der Lernraum wird so zu einem „Portal ins digitale Wunderland", das Smartphone zum Portalschlüssel.

Videos werden interaktiver, Lernhäppchen kleiner

Interaktives Microlearning lautet ein weiteres Schlagwort. Laut einer Befragung von ExpertInnen im Rahmen des mmb Trendmonitor 2017 sehen 87% der Befragten Microlearning als besonders zukunftsträchtigen Trend an. Begründet wird diese Entwicklung durch Erkenntnisse aus der Gehirnforschung: Kleinere Lernhäppchen und Interaktivität sind demnach förderlich für die Übernahme von Lerninhalten in das Langzeitgedächtnis.

Friedl Wynants skizzierte in seinem Vortrag den Hippocampus als „Türsteher zum Langzeitgedächtnis" – drei Tipps sollen den Lernenden helfen, um an ihm vorbeizukommen:

  • Fragen stellen statt Stoff wiederholen
  • Kürzere Lernhäppchen, aber dafür häufiger lernen
  • Emotionen wecken durch Storytelling oder Gamification

Die Herausforderung für Lehrende in dem Zusammenhang ist es, vor allem komplexe Themen in kleine Einheiten zu zerlegen, ohne dass eine übermäßige Simplifizierung stattfindet.

Learning Ecosystem: Bestehende Systeme vernetzen und vereinfachen

Viele Unternehmen, aber auch Bildungseinrichtungen, haben in den letzten Jahren in Lernmanagementsysteme (LMS) investiert und stehen nun vor der Herausforderung, diese Systeme zu modernisieren und neue Funktionen zu ergänzen. Wilke Riesenbeck rät hier zu einem „Learning Ecosystem" aus integrierten Systemen statt einzelner Insellösungen. Wissensmanagementsysteme, Lernplattformen und Vernetzungstools sollen von den Lernenden einfach und nahtlos aufgerufen werden können.

Eine weitere Herausforderung stellt die Verwaltung der Systeme dar. Mehrere Anbieter konzentrieren sich derzeit darauf, die Inhalte noch einfacher verwaltbar zu machen. Klares Ziel ist es, dass Lehrende die Systeme intuitiv selbst mit Inhalten befüllen können, ohne sich lange einarbeiten zu müssen oder die Unterstützung von TechnikerInnen zu benötigen. Sie sollen entlastet werden und sich auf die didaktische Aufbereitung der Inhalte konzentrieren können.

Weiterentwicklung des Blended Learning

Bei all den neuen Technologien wird den ExpertInnen zufolge die soziale Komponente auch in Zukunft ein wichtiges Element des Lernens bleiben. Nicole Prüße und Eberhard Niggemann schilderten im Rahmen der Podiumsdiskussion, dass Blended Learning in der Praxis sehr geschätzt werde. Gründe dafür orten Konstantin Ristl und Michael Witzke darin, dass Online und Präsenz jeweils bestimmte Vorteile haben, die sich ideal ergänzen, während sich die Nachteile gegenseitig aufheben. Blended Learning hat demnach das Potential, die Wirksamkeit einer Bildungsmaßnahme bei gleichbleibenden Kosten deutlich zu erhöhen. Für TrainerInnen ergibt sich der Vorteil, dass sie bei den Lernenden präsenter bleiben, wenn sie zusätzlich zum Präsenztraining auch in Learnvideos zu sehen sind.

Das klassische Blended Learning entwickelt sich weiter: Unter dem Schlagwort Blended Learning 2.0 befassen sich derzeit zahlreiche ExpertInnen mit der Frage, wie unterschiedliche Lernformen miteinander kombiniert und in den Arbeitsalltag integriert werden können. Grundlage für diese Überlegungen bildet das 70:20:10-Modell, das davon ausgeht, dass Lernen zu 70% im Rahmen von herausfordernden Arbeitsprozessen, zu 20% durch Interaktionen mit anderen und nur zu 10% im Rahmen von formalisierten Lernprozessen wie Kursen oder Workshops geschieht.

Arbeit und Lernen werden zukünftig immer mehr miteinander verschmelzen, befinden Eberhard Niggemann und Martin Schallbruch: „Wir befinden uns am Anfang von ganz großen Veränderungen in der Arbeitswelt."

Welche Implikationen ergeben sich für die Erwachsenenbildung?

Die genannten Trends dürften zunächst in der betrieblichen Weiterbildung ankommen, bevor sie sich in der allgemeinen Erwachsenenbildung niederschlagen. Diese Entwicklung ist nicht verwunderlich, wie Sandra Schön bereits 2015 im Magazin erwachsenenbildung.at ausführte: „[Die Erwachsenenbildung ist] nicht die Avantgarde für innovative Nutzungen des technologiegestützten Lernens, weil sie in besonderer Weise dafür verantwortlich ist, auf der einen Seite an den (zukünftigen) Bedürfnissen und Voraussetzungen der LernerInnen anzuknüpfen, und auf der anderen Seite verpflichtet ist, eine Grundbildung zu ermöglichen – und eben nicht gerade elitär-modische und experimentelle Lernszenarien zu erproben."

Eine gewisse Skepsis ist verständlich und wichtig, bestätigt auch Eberhard Niggemann: „Alles Neue erzeugt beim Menschen erstmal Angst". Gleichzeitig ist es entscheidend für das Weiterbestehen der Erwachsenenbildung, nicht die Augen vor neuen Entwicklungen zu verschließen. Die digitale Transformation ist unumgänglich – nun geht es darum, die Veränderung aktiv mitzugestalten statt sie passiv hinzunehmen.

Vor allem Trends wie Blended Learning, das eine ausgeprägte soziale Komponente beinhaltet, dürften durchaus auch für die allgemeine Erwachsenenbildung von hoher Relevanz sein. Ansätze wie Microlearning oder Mobiles Lernen kommen ebenfalls den Bedürfnissen erwachsener Lernender entgegen. Schlussendlich sind es gerade methodische Kompetenzen wie Lernstrategien, Selbstorganisation und Eigeninitiative, die angesichts der Digitalisierung immer wichtiger werden.

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Bild: pexels.com